Frauen-KZ der Continental Gummi-Werke in Limmer
erstellt von: Kiumarz Naghipour am: 05.07.2019
Gedenken ‚Tag der Befreiung‘ 8. Mai 2012
- Der 8. Mai 1945 war der Tag der Befreiung vom faschistischen Regime. Dieses Tages gedenken deshalb in Deutschland Jahr für viele Menschen: z. B. antimilitaristische/Friedensinitiativen, Gewerkschaften und Parteien.
Hier in Hannover waren dies in diesem Jahr u. a.
- Gedenkveranstaltung am Mahnmal am Maschsee-Nordufer: Gedenken an ermordete ZwangsarbeiterInnen
- Gedenkveranstaltung am Mahnmal Gerichtsgefängnis: Gedenken an die hier eingekerkerten Insassen, i. W. politische Gefangene
- Am 9. Mai: Gedenkveranstaltung auf dem Fössefeldfriedhof für die dort begrabenen Deserteure.
- Im Rahmen der Erinnerung an die Bücherverbrennung 10. Mai 1933 fanden im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes vom 8. – 11. Mai 2012 verschiedene Veranstaltungen statt, u. a. eine Lesung von Texten aus verbrannter Literatur auf dem Opernplatz: Heine, Tucholsky und viele andere AutorInnen waren mit ihren Texten ‚anwesend‘. Zahlreiche Initiativen beteiligten sich an der Veranstaltung mit Informationsständen.
- Dort war auch ein Infostand zum Thema: ‚KZ und Zwangsarbeit in Hannover Limmer 1944/45‘. Ein Arbeitskreis setzt sich mit Unterschriftslisten und Broschüren für ein Mahnmal für das Frauen-KZ in Limmer ein.
Hierzu sollen im Folgenden einige Informationen gegeben werden:
- Zunächst zum Continental-Werk in Hannover- Limmer (Gummifabrik), wo KZ-Häftlingsfrauen gearbeitet haben.
Mit Ablauf des Jahres 1999 endete in Limmer die 100jährige Geschichte des Continental-Werkes. Der Konzern hat bisher seine Werksgeschichte von 1933 – 1945 nicht aufarbeiten lassen.
Bald nach Beginn des 2. WKs wurden die als Soldaten eingezogenen Arbeiter durch ausländische ZwangsarbeiterInnen aus den von Deutschland besetzten Ländern ersetzt.
Ab Mitte 1944 bis zum 6. April 1945 mussten weibliche KZ-Häftlinge hier vor allem Gasmasken herstellen
Im Jahr 2012 begeht die Continental ihr 150jähriges Firmenjubiläum. Spätestens in diesem Jahr also sollte sich die Firma ihrer Verantwortung stellen..
- Jetzt aber im einzelnen zum ‚Frauen-KZ der Continental Gummi-Werke in Limmer
– Am 25 März 1945 waren im Außenlager Limmer, das als werkseigenes KZ zu den Continental-Werken gehörte, 1011 weibliche Häftlinge untergebracht.
– Eine ehemalige Gefangene beschrieb das Lager so:
„Das Lager, dem wir zugeteilt sind, ist im Vorort Limmer in Hannover. (…) Es besteht aus drei Baracken: Dem Block, den Toiletten und der Küche. Es ist von einem elektrischen Stacheldraht umgeben, hat aber keine Mauer und jenseits der Barrieren kann man einen Obstgarten, eine Kirche und einen Bauernhof, die letzten Häuser des Ortes sehen. (…) Obwohl neu, ist das Ganze sehr armselig. Alles ist aus Ersatz gemacht. Wir sind kaum in die Räume eingetreten, als schon zwei Betten mit ihren Besitzern zusammenfallen.“
– Im Juni 1944 waren den Conti-Werken zunächst 266 weibliche Häftlinge aus dem KZ Ravensbrück von der SS als Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt worden.
- Im Oktober oder November kamen weitere 250 Französinnen aus einem anderen Neuengamme Außenlager hinzu; im Dezember 1944 noch einmal rund 50 kranke und schwache Frauen von Salzgitter-Watenstedt/Leinde.
- Die Frauen mussten bei geringer und minderwertiger Verpflegung an sechs Tagen in der Woche in zwölfstündigen Tag- und Nachtschichten schwere Arbeit am Fließband leisten. Wegen geringster ‚Vergehen‘ wurden sie durch Aufseherinnen misshandelt.
„Weil sie in der Fabrik gelacht hatte, ein Verbrechen, welches ‚Mangel an Respekt vor einer Aufseherin‘ getauft worden war, wurde Simone mit Faustschlägen traktiert. Sie musste sich einer Knochenoperation unterziehen. Für das gleiche Delikt wurde ‚Poissin‘(Küken), die Jüngste in unserer Gruppe so misshandelt, dass sie für mehrere Tage das Bewusstsein verlor (…) Wir durften weder weinen noch lachen.“, so eine Frau über die Behandlung im Lager. - Ein Prämiensystem (zusätzliche Hygieneartikel), das zu mehr Leistungen und einer Ent-Solidarisierung führen sollte, wurde von den Frauen verweigert.
- Das Konzentrationslager grenzte an Kleingärten und den alten Dorfkern von Limmer. Von oberen Stockwerken war ein direkter Blick auf die Häftlingsbaracken möglich, Einwohner erzählten später, ‚laute Stimmen und Schreie‘ gehört zu haben.
- Im Januar 1945 wurden aus Langenhagen, ebenfalls ein Außenlager von Neuengamme 500 weitere Häftlinge polnischer Herkunft nach Limmer gebracht. Es waren überwiegend Frauen, diue nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes verhaftet worden waren. Sie mussten weiterhin in Langenhagen – der Weg wurde zu Fuß oder mit LKW zurückgelegt – arbeiten. Während ihres Fußmarsches, der nicht nur strapaziös war, wurden sie von Erwachsenen und Kindern häufig ‚die Banditen‘ genannt. Jungen aus der Hitlerjugend beschimpften und bespuckten sie, die Passanten zogen an den Kleidern der Frauen. Eine Frau sagte später: „Das war sehr erniedrigend für uns. Ich wäre lieber mit der Peitsche geschlagen worden, als von Leuten auf der Straße angegriffen zu werden.“
- Die Essensrationen im Lager wurden immer kleiner, mit unterschiedlichen Zuweisungen wurde gezielt versucht, Zwietracht zwischen den unterschiedlichen Nationalitäten zu stiften. Die Häftlinge versuchten sich mit dem Erzählen von Küchenrezepten über ihren Hunger hinwegzuhelfen.
- Zu all dem kam Terror, der gezielt auch die Schamgrenzen der Häftlingsfrauen verletzte:
„Um 11.00 Uhr geht das Licht an. Wir fahren aus dem Schlaf auf. Die ‚Rote‘ ist da. Sie geht zu dem der Tür nächsten Bett, reist die Decke hoch und hebt die Unterkleidung hoch. Madame X. hat den Schlüpfer anbehalten. Und obwohl sie fast 50 Jahre alt ist und vollkommen weisse Haare hat, entkleidet die Rote sie und schlägt. Die Schreie der Unglücklichen (führen zu weiterer Brutalität, Hysterie und Trance der Aufseherin. Sie hört erst auf) als sie keine Luft mehr hat.
- Allerdings sind auch Mitleidshandlungen deutscher Cont-ArbeiterInnen belegt, z. B. die Weitergabe von Lebensmitteln und Zeitungsnachrichten.
- Am 6. April 1945, als sich US-Amerikanische Truppen näherten, wurde das Lager geräumt. Kranke Frauen blieben zurück, einige Frauen versteckten sich, über die Zahl der in Limmer Verbliebenen ist nichts bekannt. Am 12. April wurden alle Frauen in Limmer durch alliierte Truppen befreit. Ob Frauen auf dem ‚Todesmarsch‘ erschossen wurden, ist nicht bekannt; bekannt aber sind die Namen von 26 Frauen, die unmittelbar nach der KZ-Haft, also an deren Folgen, verstorben sind.
- Gedenkstein an der Ecke Sachmannstraße/Stockhardtweg
Hier steht seit dem Jahr 1987 eine Bronzetafel, die an das ehemalige Frauen-KZ erinnert.
Im Rahmen der Friedensbewegung in den 90er Jahren engagierte sich hier eine Gruppe, die insbesondere das Schicksal des Frauen-KZs aufarbeiten wollte und war schließlich die Aufstellung eines Gedenksteines durchsetzte. Aber dies, so der Arbeitskreis für ein Mahnmal für das Frauen-KZ-Limmer, der seit 2008 arbeitet, könne nur der Anfang sein.
– Der Arbeitskreis ging auch der Frage nach, was im Umfeld des KZs für die damals Lebenden bekannt war und lud zu einem ZeitzeugInnengespräch. Eine Frau, deren Großmutter unter den KZ-Häftlingen einen Bekannten entdeckt, erzählt von damals: Ihre Großmutter habe gesagt, ‚Da ist doch Hermann. Ich rufe den jetzt!‘ Trotz des Prostetes der Verwandten habe sie gerufen‘ „‘Herman, du bist es wirklich‘ Und er hat auch zur Seite geguckt. Und dann hat einer gesagt: ‚Halt deine Schnauze oder du kommst hier gleich mit rein.‘“ Eine andere Teilnehmerin erzählt: „Es wurde nichts totgeschwiegen. Mein Vater hatte mich eingeweiht. Ich habe mit 16 Jahren erfahren, dass es ein KZ gibt.“Und sie berichtet weiter von einer jungen Frau, die ‚abgeholt‘ worden war, weil sie sich mit einem ‚Russen eingelassen‘ hatte. Bei dem genannten Treffen wurde das KZ Ahlem von wenigen bestritten; hingegen wurde bezweifelt, dass es auf dem Conti-Gelände ein Frauen-KZ gegeben habe. In Bezug auf die bei der Conti arbeitenden AusländerInnen wurde gemutmaßt, sie seien ‚irgendwo eingesammelt worden‘, mit KZ-Häftlingen habe das aber nichts zu tun gehabt. ‚Die haben die Leute zwar auch gequält, aber das war nicht wie in Bergen-Belsen‘
–. Solidarität deutscher ArbeiterInnen: Eine damals Zwölfjährige erinnert sich, sie habe Brot schneiden und ‚kleine Happen‘ machen müssen‘. Am Band sei dann ‚immer ein Happen unter die Gasmaske gelegt und die Gasmaske weitergeschoben (worden). Und dann haben die sich das Brot darunter weggenommen, haben das gegessen.“ Das sei aber nur eine kurze Zeit gutgegangen. Dann habe eine belgische Zwangsarbeiterin gesagt: „‘Nicht mehr Stücke. War schwer. Eine ganze Nacht in Zelle.‘ Sie haben so eine kleine Zelle wohl gehabt mit einem Hahn, wo sie nackend reingestellt wurden und wo immer nur ein Tropfen auf den Kopf fiel.“ Eine andere Frau erzählt: Ich habe was erlebt. (…) ein oder zwei Tage, bevor die Amerikaner einmarschiert sind. Da wurden die Häftlinge durch die Wunstorfer Straße in Richtung Stadt getrieben. (…) eine einzige taumelnde Masse mit gestreiften Anzügen, und Käppis haben die alle aufgehabt, und dann habe ich geschrien wie am Spieß (…) und dann kam meine Mutter und riss mich weg. (…) Mein Vater hat erzählt: ‚Ich habe heute ganz was Schreckliches gesehen.‘ und mein Vater hat bitterlich geweint.“ - Inzwischen hat der Arbeitskreis Gestaltungsideen für einen Erinnerungsort gesammelt. Gleichzeitig versucht er über Broschüren, über das Internet und über Unterschriftenlisten die Öffentlichkeit zu informieren und zu beteiligen.
Die Webseite lautet: www.kz-limmer.de
AnsprechpartnerInnen: Horst Dralle, St. Nikolai-Kirchengemeinde und Bärbel Triller (AG ZeitzeugInnen)
Der Arbeitskreis ‚Ein Mahnmal für das Frauen-KZ in Limmer‘ freut sich über Interesse und Mitarbeit. Angaben, z. T. wörtlich aus der Broschüre: ‚Einen Ort der Erinnerung schaffen. KZ und Zwangsarbeit in Hannover-Limmer 1944/45‘