Rettungskette für Menschenrechte Samstag, 18. September in Hannover am Döhrener Turm

erstellt von: am: 22.09.2021

RETTUNGSKETTE FÜR MENSCHENRECHTE

Der Veranstaltungskreis „Rettungskette Hannover-Südstadt“ organisierte am Samstag, 18. September 2021, mit einem Infostand und einer Menschenkette in der Südstadt Hannovers einen Beitrag für neue Aufmerksamkeit gegen das Ertrinkenlassen auf dem Mittelmeer. Aus einem breiten Spektrum der Zivilgesellschaft beteiligten sich ca. 150 Menschen an der Aktion. An der europaweiten RETTUNGSKETTE für MENSCHENRECHTE wirkten an diesem Tag von 12-12.30 Uhr insgesamt 301 Organisationen in Deutschland, Österreich und Italien mit. Die Route führte von Hamburg über Hannover nach Süddeutschland, dann über Innsbruck durch Österreich nach Padua bis zur Hafenstadt Chioggia nähe Venedig. Für die Gemeinde am Döhrener Turm eröffnete Dr. Frank Hellberg die Veranstaltung. Er wies darauf hin, dass viele zivile Rettungsschiffe, auch mehrere aus Deutschland, Geflüchtete aus Seenot im Mittelmeer retten und in italienischen Häfen landen. Mehrfach wurden sie für diese zivilen Seenotrettungsmissionen angeklagt und vor Gericht gestellt – gegen das internationale Gebot der Rettung aus Seenot. Streitpunkt sei im Kern die Politik der europäischen Länder, die sich an den Außengrenzen gegen Geflüchtete und Migrationsbewegungen abschotten wollten. Dagegen protestiere die Aktion RETTUNGSKETTE. Denn dabei kämen die Menschenrechte unter die Räder, die doch Grundbestandteil einer modernen Gegenwart und Zukunft Europas seien: „Ertrinkenlassen ist keine Lösung des Phänomens, dass viele Menschen die gefährliche FluchtRoute übers Mittelmeer wählen müssen. Allein in diesem Jahr sind mehr als 1.200 Menschen beim Versuch ertrunken, Sicherheit in Europa zu erreichen. Seit 2014 waren es nach Angaben des UNHCR über 21.500!“. Irene Wegener, Geschäftsführerin der Wohnheime für Geflüchtete in der Südstadt, hatte die Aktion in der Südstadt mit vorbereitet. Sie stellte die Grußbotschaft von Doris Schröder-Kopf vor, die nicht persönlich anwesend sein konnte. Als MdL und Landesbeauftragte für Migration und Teilhabe in Niedersachsen, erklärte Schröder-Kopf ihre volle Übereinstimmung mit dem Ziel der RETTUNGSKETTE, „für eine menschenwürdige europäische Flüchtlingspolitik einzustehen, gegen Abschottung, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen unseres Kontinents“. Ihre Aufforderung lautete: „Setzen wir also – jeden Tag – als aufgeklärte, offene und verantwortungsbewusste Gesellschaft ein Zeichen der Solidarität mit all jenen Menschen, die zum Teil unvorstellbares Leid, Gewalt, Entbehrungen und entmenschlichende Demütigungen ertragen mussten. Mit all jenen, deren Würde und Rechte durch Europas desaströse Flüchtlings- und Asylpolitik verletzt werden“. Antonio Umberto Riccò, Mitbegründer der AG Lampedusa, und Autor mehrerer dokumentarischer Theaterstücke zu den Katastrophen auf dem Mittelmeer und der problematischen Aufnahme Geflüchteter in Europa, las eine beeindruckende Szene aus seinem Stück „Das Boot ist voll“. Es entstand nach dem Tod von 368 Menschen, die am 3. Oktober 2013 vor der Insel Lampedusa ertranken. Vitio Fiorina, der Inhaber eines Eiscafés auf der Insel, rettete mit seinem Boot ‚Gamar‘ zusammen mit sieben Freunden 47 Menschen das Leben. Er berichtete, das zwei Boote das Drama erkannt hatten, aber nichts unternahmen: „Als diese Nachricht durchs Dorf ging, waren die meisten auf der Insel empört. Wer auf einer Insel wohnt, weiß genau, dass Menschen in Not gerettet werden müssen… Es war einfach unvorstellbar, dass jemand die Flüchtlinge gesehen hatte, aber weitergefahren ist, ohne sich zu kümmern. Unvorstellbar…“. Was wäre, wenn verantwortliche PolitikerInnen heute nicht wegsehen? Dang Chau Lam, Vorstandsmitglied des Vietnam Zentrums Hannover, erinnerte an eine historische Entscheidung der niedersächsischen Landesregierung mit Ministerpräsident Ernst Albrecht: 1978 nahm Niedersachsen die ersten 1.000 vietnamesischen ‚boat people‘ auf. 14.000 wurden es insgesamt, die in Deutschland Schutz und Aufnahme fanden. Ein solche humanitäre Geste forderte Herr Lam angesichts der Dramen auf dem Mittelmeer auch heute: „Das ist Niedersachsen sich selbst schuldig: Wir dürfen nicht wegschauen, sondern wir müssen die universellen Menschenrechte in den Mittelpunkt stellen. Heute brauchen wir eine Aufnahmepolitik für Geflüchtete und eine Migrationspolitik, die auf den Prinzipien der Solidarität, des Asylrechts und der Achtung der Menschenrechte basiert“. Zivilgesellschaftliche Vorhaben können eine wichtige strukturelle Rolle für neue Wege in der Aufnahme Geflüchteter spielen, erläuterte Klaus Strempel, für das Netzwerk Flüchtlingshilfe und Menschenrechte, Mitinitiator der Aktion in der Südstadt. Er stellte das Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ vor, das 2019 auf Initiative der SEEBRÜCKE in Potsdam von 13 Städten gegründet wurde, „um die humanitäre Katastrophe im Mittelmeerraum und darüber hinaus an den europäischen Außengrenzen zu beenden“. 2021 sind mehr als 240 Städte, Gemeinden und Regionen Mitglieder des Netzwerkes geworden. Darunter sind mit Hannover allein 50 Orte aus Niedersachsen. Am 25. und 26. Juni 2021 fand der Kongress „From the sea to the city“ in Palermo statt. Die Städte Potsdam und Palermo erklärten dazu als Initiatorinnen: „In einem historischen Augenblick, in dem es wieder keine gemeinsame europäische Antwort gibt, möchte diese Initiative die europäische Politik zur Migrationspolitik neu durchdenken, indem sie die universellen Menschenrechte in den Mittelpunkt stellt und Städte als Hauptakteure einer notwendigen Wandels betrachtet. Immer mehr Städte in Europa erklären ihre Bereitschaft, mehr Flüchtlinge aufzunehmen und unterzubringen“. Lebendig begleitet wurden die Wort-Beiträge durch die Percussion-Stücke von Uli Meinholz, Trommelschule ILU aus der Nordstadt. Sie unterstützte diese Aktion in der Südstadt Hannovers als professionelle Künstlerin auf der Timba. Der Refrain ihres ersten Stückes lautete: „Say it loud and say it clear: Refugees are welcome here!“. Den Abschluss der Aktion machten ca. 30 TeilnehmerInnen, die sich zum KREIS-GESPRÄCH auf dem Parkplatz vor dem Wohnheim für Geflüchtete in der Hildesheimer Straße trafen. Dort berichteten Aktive der SEEBRÜCKE Braunschweig über die praktische Arbeit ihrer Initiative. Irene Wegener stellte das „Leyla-Projekt – Hilfe für traumatisierte Flüchtlingskinder in Nahost“ der Gemeinde am Döhrener Turm vor. In Camps Geflüchteter in Jordanien und Libanon werden einheimische Trauma-Beraterinnen ausgebildet. Sie gehen in Flüchtlingscamps, stärken die Mütter und befähigen sie dazu, die seelische Gesundheit ihrer Familie nachhaltig zu verbessern. Dafür werden weiterhin Spenden gesammelt (Spendenkonto: DE31 5009 2100 0000 1675 41, Kontoinhaber: Ev.-Freik. Gemeinde am Döhrener Turm; Stichwort „Leylaprojekt“). Der Veranstaltungskreis, zu dem auch der Janucz Korczak Verein, das Friedensbüro, die AG Lampedusa und das Vietnamesische Zentrum Hannover gehören, werten jetzt die Veranstaltung aus. Ein Ziel wird es sein, gemeinsam mit weiteren PartnerInnen auf den neugewählten Stadtrat in Hannover, den Kreistag der Region Hannover und den Nds. Landtag zuzugehen, um konkrete Schritte im Kontext des Bündnisses „Städte Sicherer Häfen“ zu erreichen.

Netzwerk Flüchtlingshilfe & Menschenrechte e.V., gegr. 06.12.1991 S. 2/2 Bankverbindung: IBAN: DE88 2519 0001 0111 8943 00 Volksbank Hannover BIC: VOHADE2HXXX

Die Redebeiträge der Aktion ( RETTUNGSKETTE für MENSCHENRECHTE), mitgeschnitten von Radio flora:

1-Begrüßung-Dr. Frank Hellberg und Klaus Strempel
2- Irene Wegener & Grußbotschaft von Doris Schröder-Kopf.mp3
3- Antonio Umberto Riccò-Das Boot ist voll
4- Uli Meinholz-Musik1
5-Dang Chau Lam-Vietnamzentrum
6-Klaus Strempel-Städte Sicherer Häfen
7-Uli Meinholz-Musik2
8- Klaus Strempel-Abschluss Worte und Danksagung

Radio Flora @192 kBit/s

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