Zehn Jahre Rojava in Nordsyrien und die militärischen Übergriffe durch die Türkei
erstellt von: Axel Kleinecke am: 04.12.2022
Die autonome Selbstverwaltung Nordsyrien, auch bekannt unter dem kurdischen Namen „Rojava“ feiert in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen. Dieses basisdemokratische und antikapitalistische Gesellschaftsmodell wurde im Jahr 2012 in dem Krisengebiet im Orden Syriens begründet. Unter dem Namen „Rojava“ wurde es weltweit bekannt, als seine kurdischen Milizen (JPG und JPJ) die Stadt Kobane in einem heldenhaften Kampf aus den Händen des „Islamischen Staates“ (IS) befreien konnten und damit dem IS die entscheidende erste Niederlage beibrachten. Seitdem hat sich die autonome Selbstverwaltung mit ihren Grundpfeilern Basisdemokratie und Frauenemanzipation in den multiethnischen und multireligiösen Gebieten Nordsyriens bewährt und unter friedlicher Einbindung der Bevölkerung auch weiter verbreitet. Militärisch musste es sich lange gegen den IS behaupten, und seit 2018 war es mehreren völkerrechtswidrigen Angriffen durch die Türkei ausgesetzt. Flächendeckende Bombardements, mehrere Invasionen und die Besetzung einzelner Gebiete durch türkisches Militär mit anschließendem Terror gegen die Zivilbevölkerung waren die Folge.
Die deutsche Hilfsorganisation Medico International hat das ursprünglich kurdische Projekt von Anfang an sowohl medizinisch: als einzige NGO vor Ort beim Kampf um Kobane und auch weiterhin mit ärztlicher Hilfe – und politisch: beim Aufbau eines Gesundheitssystems und bei der Gründung des kurdischen „Roten Halbmonds“ unterstützt und begleitet. Mit Anita Starosta begrüßen wir in dieser Sendung die Spezialistin für Rojava bei Medico, die sich auch bei mehreren Aufenthalten vor Ort bei der Betreuung von Projekten ein Bild von der derzeit schwierigen, aber noch immer stabilen Lage in den Gebieten der autonomen Selbstverwaltung in Nordsyrien machen konnte.
Im Gespräch mit Anita Starosta wollten wir im ersten Teil zunächst wissen, wie sich der jahrelange Low-Level-Krieg des türkischen Präsidenten Erdogan nach den militärischen Invasionen bis heute auf die Bevölkerung ausgewirkt hat und welche Kriegsverbrechen von türkischer Seite neuerdings in Form von Drohnenmorden und nun auch durch Chemiewaffen dort weitgehend unbemerkt stattfinden, während die Welt auf den Krieg Putins gegen die Ukraine schaut. Im zweiten Teil geht es anlässlich des 10-jährigen Bestehens der autonomen Selbstverwaltung um ihre Grundsätze, ihre Strukturen und ihre Entwicklung bis heute und im Schlussteil des Interviews stellt Anita dar, in welcher Form und mit welchen Projekten die Hilfsorganisation Medico International in Nordsyrien das Gesellschaftsmodell begleitet hat und bis heute unterstützt.
Weitere Informationen zu der erneuten militärischen Eskalation in Nordsyrien und einem drohenden dritten großen Angriffskrieg Erdogans gegen die autonome Selbstverwaltung nach diesem Gespräch gibt es bei:
Medico International: https://www.medico.de/blog/eskalation-eines-hybriden-krieges-18868 und Civaka Azad: https://civaka-azad.org/#