Absetzung von Bürgermeister*innen – Zwangsverwaltung in Städten der Osttürkei

erstellt von: am: 19.02.2020

Arbeitskreis Diyabakir Hannover vom 10.02.2020 mit kurdischen Politiker*innen

Mitschnitte des Treffens zu den politischen Verhältnissen in der Türkei in deutscher und kurdischer Sprache      

Nach den Kommunalwahlen am 31. März 2019 hat die erst 2012 gegründete mehrheitlich kurdische HDP trotz schwierigster Bedingungen gegen die Regierungspartei AKP von Präsident Erdogan unerwartet 65 Städte gewinnen können. Von diesen 65 Städten sind derzeit bereits 38 ihrer gewählten Politiker beraubt worden. Die mit großer Mehrheit gewählten kurdischen Bürgermeister*innen wurden abgesetzt und die Städte durch staatliche Willkürakte unter eine regierungstreue Zwangsverwaltung gestellt. 38 Bürgermeister*innen, davon 14 Frauen, sind in Haft, ebenso unzählige Gemeinderatsmitglieder von der HDP. Ihnen allen wird unter fadenscheinigen Anschuldigungen der Prozess gemacht, und viele sind schon zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt.

In Erdogans neu begonnenem Krieg gegen die Kurden im eigenen Land wurde schon 2015 der historische Stadtkern von Diyabakir von Panzergranaten in Schutt und Asche gelegt. Seitdem setzte auch die Verfolgung von gewählten kurdischen Politiker*innen ein, die noch heute in großer Zahl in Gefängnissen sitzen. Auch die gewählten Bürgermeister von Diyabakir wurden im Jahr 2016 verhaftet und durch einen Zwangsverwalter ersetzt. Die willkürlichen Verhaftungen und Verurteilungen von Oppositionspolitiker*innen aus HDP haben seitdem noch zugenommen.

Der Arbeitskreis Diyabakir unter Vorsitz des ehemaligen langjährigen Oberbürgermeisters von Hannover, Herbert Schmalstieg, der sich schon zu seiner Amtszeit für eine Partnerschaft Hannovers mit dieser historischen Stadt in der Osttürkei eingesetzt hatte, konnte nun am 10. Februar 2020 vier von den Zwangsmaßnahmen betroffenen HDP-Politiker als Gäste begrüßen. Die Bürgermeisterin von Silopi, Adalat Fidan Fidik, der Bürgermeister von Kars Ayhan Bilgen, Leyla Imret, die HDP Vorsitzende Deutschland und Ehem Cagir, Referent der HDP aus Diyarbakir berichteten über die erschreckende Lage in den kurdischen Städten und über die rücksichtslose politische Verfolgung von Politiker*innen der HDP. Übersetzer war Dündar Calloglu, Moderation des Abends: Herbert Schmalstieg

Neben den Kriegsverbrechen Erdogans gegen die Kurden in Nordsyrien scheint die Weltöffentlichkeit derzeit auch diese Menschrechtsverletzungen des türkischen Präsidenten im eigenen Land zu akzeptieren. Die internationale und auch die deutsche Diplomatie lässt Erdogan ohne große Proteste gewähren und schaut seit Jahren der Aushebelung demokratischer Grundrechte und der Verfolgung von kritischen Journalisten und Politikern in der Türkei tatenlos zu. Unter dem Eindruck der konkreten Berichte dieses Abends wurden in dem Arbeitskreis ein Appell an die EU, aber insbesondere an die Bundesregierung und den Bundestag gerichtet, diesen gravierenden Verstößen gegen Demokratie und Menschenrecht endlich massiv mit Kritik und Protest entgegenzutreten und die Befreiung aller politischen Gefangenen zu verlangen.

 

Berichte der HDP-Politiker*innen

Fragen und Ergänzungen


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